Saturday, December 29, 2007

REALITY STUDIO

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REALITY STUDIO | Autumn Winter 06-07 | ph Dirk Merten

A couple of weeks ago I did an interview with Svenja Specht, the Berlin based designer of the independent fashion label Reality Studio. It has been released in Patricia's online magazine milkshake chocolate recently. Please read the interview in English here.
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Vor einigen Wochen habe ich ein Interview mit Svenja Specht, der Designerin des Berliner Independent Modelabels Reality Studio geführt. Dieses wurde nun kürzlich in Patricias online Mode- und Kunstmagazins milkshake chocolate veröffentlicht. Die deutsche Version findet ihr untenstehend:

AW0607_Danube_Top REALITY STUDIO | Autumn Winter 06-07 | ph Dirk Merten

click here for english version!!!

William S Burroughs Realität ist ein Studio. Seine Romane Naked Lunch, The Ticket That Exploded, The Soft Machine und Nova Express sind Ausdruck eines ausweglosen Weltverständnisses, nach dem die Wirklichkeit eine endlose Schleife ist, die nur anhand der von ihm entwickelten Cut Up Methode umgebaut werden kann: Bereits vorhandene Textangebote werden nach bestimmen Regeln zerschnitten oder gefaltet und die dabei entstehenden Textkombinationen neu erfasst. Der Künstler befindet sich in einem endlosen Archiv, aus dem er nicht ausbrechen kann, mit dem er aber spielen kann, neues aus bereits Bestehendem zusammenfügen kann. Die Realität wird zum Reality Studio.
In Svenja Spechts Welt ist das ähnlich, aber sehr viel schöner. Ihr Label „Reality Studio“ entstand 2005, 7 Jahre nach Ende ihres Studiums und nach Jahren der Reisen und Auslandsaufenthalte. Reality Studio ist auch gegenwärtige Realität, Endpunkt vom Wie-es-wird und Ankommen im Jetzt.
Spechts Entwürfe sind sehr durchdacht, theoretisch, gleichzeitig sehr anziehend und verlockend aber auch verstörend, wie ihre aktuelle Herbst/Winter Kollektion zeigt:
Grey“ ist grau, schwarz, ein bisschen blau und z.T. aus Spitze. Ein weites schlabberiges Kapuzenshirt „VIKTOR“ ist vollkommen durchsichtig, gibt den Blick frei auf eine vergeblich verhüllte Weiblichkeit. Die Jacke „NAD“ ist groß, weit und androgyn und tatsächlich unisex und Teil einer Frauenkollektion, das auch von Männern getragen werden soll. Reality Stuido ist Kleidung für Frauen, die sich ihrer Rolle bewusst sind. Sie ist individuell und fordernd und kaum so, wie zu erwarten. Kleidung, die unbedingt eine Einheit mit der Trägerin eingehen will, die nicht einfach nur getragen werden kann, sondern auch selbst ein bisschen tragen möchte.

REALITY STUDIO | Spring Summer 07 | ph Dirk Merten

Wie definierst Du Mode für Dich und wo ordnest Du dabei Dein Label Reality Studio ein?

Reality Studios Kollektionen sind zeitgenössisch. Mode heißt für mich Ausdruck der Zeit durch Kleidung. Darin auch enthalten ist für mich im besten Fall der Ausdruck einer Persönlichkeit. Es kann aber auch die Einordnung in eine Gesellschaftsschicht oder Zuordnung zu einer Gruppe sein. Mode im Englischen heißt ja auch die Art & Weise. Reality Studio wird von einer bestimmten Gruppe von Menschen getragen, die sich mit dieser Mode als sie selbst repräsentiert fühlen oder sich einfach gut darin fühlen. Es würde jetzt zu platt klingen wenn ich sagen würde das sind Frauen, die wissen wo es lang geht, starke, moderne Frauen usw. – so einfach ist das nicht zu definieren. Es könnte ja auch sein, dass meine Mode etwas kompensiert oder eine Lücke füllt...

Du sprichst von „Frauen, die wissen wo es langgeht“. Welche berühmte Persönlichkeit fällt Dir dazu spontan ein? Hast Du eine bestimmte Vorstellung von Frau, für die Du entwirfst?

Ich bewundere Gena Rowlands für ihre natürliche Eleganz und gleichzeitige Verrücktheit und Witzigkeit, das heißt frei zu sein, unabhängig von Konventionen. Das war ja ihre Paraderolle in zahlreichen Filmen ihres Mannes John Cassavetes. Und ich find Grace Jones toll. Sie hat ein ganz neues Frauenbild geschaffen. Stark aber dennoch sexy. Maskulin und Feminin. Das findet man auch in meinen Kollektionen.

AW0708_IvesCap-web rs REALITY STUDIO | Autumn Winter 07-08 | ph Edzard Piltz

Welche Rolle spielt William S Burroughs Idee von der Wirklichkeit als Reality Studio für Deine Entwürfe?

Für mich spielt eigentlich die Hauptrolle, dass mir irgendwann klar geworden ist, das wir nicht raus können aus der Welt, die uns umgibt. Das heißt wir arbeiten mit dem was sich in unserer eigenen Welt befindet. Wie in der Cut-Up Methode von Burroughs bediene ich mich eines schon existierenden Archivs. Ich meine damit nicht konkret Kleidung, ich schneide nicht alte Kleidungsstücke auseinander und setzte sie wieder zusammen, aber im übertragenen Sinne tue ich das schon. Ich arbeite mit dem globalen Archiv und kreiere durch mich selbst das Neue. Das heißt die „Reality“ im Reality Studio ist für mich das Archiv und das „Studio“ das bin ich, der aktive Teil! Das ist meine Interpretation des Reality Studios.

In der Beschreibung Deiner Herbst/Winter 07/08 Kollektion heißt es, dass man „Spechts Welt beobachten [könne], indem man ihre Kollektionen verfolgt“. Was ist das für eine Welt?

Realiy Studio in der Studio Reality!

Das bedeutet also, dass Deine Welt eine Realität ist, die in einer gewissen Form besteht, die diese aber durch Deinen Eingriff umgebaut, verschoben, durcheinander gewürfelt und wieder zusammengesetzt werden kann? Ist Dein Gedanke von der Realität als einer, „aus der wir nicht rauskönnen“, grundsätzlich ein negativer?

Der Gedanke ist überhaupt nicht negativ gemeint. Ich sehe das nicht als Einschränkung! Es gibt doch unendliche Möglichkeiten! F: Wie siehst Du Dich selbst als im Studio Agierende? Mit kindlicher Neugier, frustriert, experimentierfreudig, weltverbessernd? Versuchst Du die Realität zu "verbessern" durch Deinen Eingriff?

Nein, absolut nicht. Wobei ich schon die naive Hoffnung habe, dass Menschen, die sich in ihrer Haut und in ihrer Kleidung wohl fühlen, eine positive Auswirkung auf ihre Mitmenschen haben können! Zum Prozess: Ich experimentiere gerne und probiere viel aus- mit Schnitten, Farben, Stoffen... kindliche Neugier könnte passen!

AW0708_ViktorHoodyAW0708_ShalomOverall REALITY STUDIO | Autumn Winter 07-08 | ph Edzard Piltz

Wer und/oder was inspiriert Dich?

Alles was mich umgibt, meine Reality!

Gibt es andere Designer/Künstler/Schriftsteller, die Dich inspirieren? Wenn ja, warum und inwiefern?

Ja da gibt es natürlich viele. Gene Rowlands und Grace Jones, die ich bereits erwähnt habe. Dann noch Hayao Miyazaki´s Anime Filme (deren Fantasie, Beobachtungsgabe und Einfühlungsvermögen). Frank Stellas riesige collagierte Wandarbeiten z.B. "In Sante Luze", (Herr Stromli) von 1998, oder die Traum- und Filmszenenbilder meines guten Freundes des Malers Michael Kalki. Designer: Ich finde Comme des Garcons oder Maison Margiela spannend und inspirierend wegen ihrer stetigen Suche nach neuen Grenzen. Und Y.Yamamoto für seine Ästhetik und Schnitte. Den Asienbezug entdeckt man ja auch in meinen Kollektionen.

Während Deines und nach Deinem Studium bist Du viel herumgereist und hast in anderen Städten gelebt, u.a. Paris und Peking. Warum arbeitest Du heute in Berlin? Wo würdest Du leben, wenn nicht in Berlin?

Berlin ist als Stadt relativ entspannt. Man kann sich hier gut auf seine Arbeit konzentrieren. Es gibt viel Grün und wenig Menschen im Vergleich zu anderen Großstädten. Und das kulturelle Angebot ist super. Außerdem kommen eine Menge interessanter Menschen in die Stadt. Mein Traum ist es in zwei Städten zuhause zu sein. D.h. ein halbes Jahr dort und ein halbes Jahr hier in Berlin zu leben und zu arbeiten. Z.B. Peking-Berlin, oder Tokio-Berlin. Das stelle ich mir sehr spannend vor.

Warum Asien?

In erster Linie fasziniert mich das Andersartige (das könnte sich natürlich dann auch auf z.B. Südamerika beziehen, aber da war ich noch nicht!). Das Menschen anders denken, andere Wertmaßstäbe haben, sich anders verhalten, einen anderen Humor haben. Und natürlich die Kultur, die Kleidung, Stoffe, Malerei, Kalligraphie, Architektur und das Essen! In China hat mich besonders die Peking Oper beeindruckt und die Fantasie-Action Filme – unglaublich. Total abgedreht! In Japan fand ich dieses Detailversessene erstaunlich- so vieles ist mit extrem viel Liebe zum Detail gemacht! Und ich liebe das Kabuki Theater!


zahara REALITY STUDIO | Spring Summer 08 "ZAHARA" | ph Edzard Piltz

Vom 4. – 7. Oktober hast Du in Paris auf der Rendez-vous Deine neue Kollektion für Frühjahr/Sommer 2008 vorstellen? Was gab es zu sehen?

Ich bin im März dieses Jahres in Marokko gewesen und war sehr beeindruckt von dem Land. Es ist für mich das Land der Kontraste: Arm-Reich, Klimatisch: Heiss-kalt, Stadt-Land, Berge-Wüste, Modernität- Tradition. Mich haben die Farben, Schnitte und Details der traditionellen Kleidung sehr inspiriert. Das alles fließt mit ein in "Zahara"!

VIELEN DANK FÜR DAS INTERVIEW!!!

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